Eine kleine Dachkammermusik

Postkarte Hoffmann mit Dachkammer-Tür

Hermann Hoffmanns legaler Start im Rundfunk begann am 28. Dezember 1962 mit der Sendereihe „Eine Kleine Dachkammermusik“, seiner musikalischen Einmannshow. Als Eröffnungsmusik hatte er das „Heideröslein“ ausgesucht, das auf einer Lotosflöte intoniert wurde. Jede Sendung hatte ein bestimmtes Thema, um das herum eine kleine Geschichte gestrickt wurde. Dazu gab es passende Musik, die Hoffmann eigens dafür komponierte. Geräusche wurden wie in einem Hörspiel hinzugefügt, angefangen von der Tür, durch die zu Beginn jeder Sendung seine Mitstreiter hereintraten, natürlich die Schritte der Mitarbeiter, bis zu diversen Gegenständen, deren Geräusche die Handlung untermalten. Gesprächspartner in der Sendung war von Beginn an und in jeder Sendung ein Schwabe, der in Folge 30 (1966) den Namen „Schräuble“ erhielt. Im Lauf der Zeit entwickelten sich weitere Charaktere, wie der Berliner Maurermeister „Otto“ aus Folge 25 (1966), der schnell zum Ostfriesen „Meister Otto“ und zwei Jahre später schließlich „Otto de Vries“ wurde.

Zwischen dem behäbigen, leicht dümmlichen Schräuble und dem cholerischen und trinkfesten de Vries kam es oft zum Streit, nicht zuletzt weil „Herr Schräubchen“ immer falsch angeredet wurde. Seinen Vornamen Pankra­tius erhielt Herr Schräubchen… pardon, Herr Schräublé erst nach dem Umzug ins Studio nach Burgdorf (1967) – die Kirche am Ort heißt „St. Pan­kra­tius”, das passte wohl zum kreuzbraven Schwaben. 1975 gesellte sich zum Trio Dachkammerchef, Schräuble und de Vries der ostpreußische Gastwirt „Cäsar Schlotterbeck“, der fast ausschließlich per Telefon am Geschehen teilnahm, oft als Running Gag zum Schluss einer Folge. Nur eine Zeit lang war eine reale zweite Person gelegentlich in der Dachkammer zu Besuch: Hermann Hoffmanns Sohn Thomas spielte ab 1969 „Diederich“, den Sohn von Otto de Vries. Neben diesen Hauptpersonen waren gelegentlich noch mehr Akteure in der Dachkammer zu hören, angefangen von Meister Ottos Maurertruppe aus früher Zeit, bis hin zu diversen Dachkammerchören oder kleinen Orchestern. Beim 16-stimmigen Dachkammerchor wäre es schon recht eng in dem kleinen Burgdorfer Studio geworden, wenn Hermann Hoffmann nicht alle Rollen selbst gespielt hätte.

Diese „Drei” (von denen wir ja wissen, dass es eigent­lich nur einer war) musizierten, spielten Sketche, und der Schwabe und der Ostfriese stritten sich manchmal, was das Zeug hielt. Sie waren fast so wie eine kleine Familie, zu der sich ab und zu der Wirt Cäsar Schlotter­beck gesellte (natürlich auch von Hoffmann gesprochen). Daneben waren auch Otto de Vries' Frau Hertha, sein Sohn Diederich und Schräubles Frau Astrid namentlich beteiligt, die schwäbisch immer „Aschtridle” genannt wurde (noch heute denken viele, er sagte „Arschtrittle”…).

Auf der Lang­spiel­platte „Geschichten aus der Dach­kammer” hatte sich Hermann viermal verkleidet und seine bislang nur sprachlich in Erscheinung getretenen Figuren auch bildlich dargestellt. Die vier Grund­charaktere der „Kleinen Dach­kammer­musik” stellen wir im Einzelnen vor.

Hermann Hoffmann (Dachkammer-Chef)

Hermann Hoffmann ist in der „Kleinen Dach­kammermusik” selbst­ver­ständlich der Chef und residiert in der berühm­ten Dach­kammer. Seine Musik­kollegen Pan­kra­tius Schräuble und Otto de Vries kommen gerne ein paar Minuten zu spät und klopfen des­wegen sehr oft an die Tür. Hoff­mann ist ein ruhiger Zeit­genosse, der ab und zu Streit zwischen seinen auf­brausenden Kollegen schlichten muss.

Pankratius Schräuble (Schwabe)

Pankratius Schräuble ist ein Schwabe und von Anfang an dabei in der „Kleinen Dach­kammer­musik”. Ebenso muss er von Beginn an mit einem Ver­sprecher seines Nach­namens leben: viele sagen „Schräubchen“ zu ihm, so dass der gut­mütige, leicht träge Schwabe stets mit einem fast schon auto­matischen „Schräuble, wenn i bitten dürft“ reagiert. Schräuble ist mit seinem „Aschtridle“ verheiratet.

Otto de Vries (Ostfriese)

Otto de Vries hat sich von einem Ber­liner Maurer sehr schnell zu einem chole­rischen, dennoch humor­vollen Ost­friesen gewandelt. De Vries macht in der „Dach­kammermusik“ ständig Witzchen, ist ein trink­fester Zeit­genosse, zettelt gerne Streit mit seinem Freund Schräuble an, ist aber im Grunde ein herzens­guter Kerl. Otto ist mit Hertha ver­hei­ratet und hat einen Sohn namens Diederich.

Cäsar Schlotterbeck (Ostpreuße)

Cäsar Schlotterbeck ist ein Ost­preuße und eigentlich kein Mitglied der Dach­kammer-Combo. Dennoch schleicht sich der Kneipen­wirt aus Königs­berg gerne in die Sendung und ruft sehr oft bei Hoff­mann an, um die Kollegen zu ärgern oder Witzchen beizu­steuern. Hoff­mann, de Vries und Schräuble haben ein gutes Verhältnis zu Schlotter­beck und sind oft in seiner Kneipe zum gemüt­lichen Umtrunk zu Gast.

PC-Skizze der Dachkammer-Kapelle

Diese illustre Runde hat im Laufe der vielen Folgen eine Unmenge Lieder hervorgebracht, teils „Gassen­hauer“ und Ever­greens. In jeder Sendung hat es die Dach­kammer-Combo im Schnitt auf drei Songs gebracht. Wie Hoffmann sich inmitten seiner Musiker vorstellte, hat er 1995 mit einer PC-Zeichnung (seiner ersten übrigens) festgehalten.

Zunächst war Hermann Hoffmanns „Kleine Dachkammermusik“ eine einzelne Sendung im Gemeinschaftsprogramm NDR/WDR 1. Der Aufwand für die Produktion einer Folge war mit etwa vier Wochen noch recht hoch und entsprechend selten die Ausstrahlung. Sehr trickreich löste Hermann Hoffmann die Zusammenstellung eines Gesprächs mit drei verschiedenen Personen ohne Mehrspur-Magnetbandgerät mit nur einem einzigen Kopiervorgang vom ersten auf ein zweites Gerät. Die 12. Folge fand sofort einen festen Platz in der von Hilmar Bachor neu konzipierten Sendung „Humor in Dur und Moll“, die ab Oktober 1964 alle sechs Wochen ausgestrahlt wurde.

HH bei der 200. Dachkammer-Sendung, 16.10.1976

Der Nachfolger „Unterhaltung am Wochenende“ kam ab Dezember 1967 alle 14 Tage über das Radio, aber die „Kleine Dachkammermusik“ war erst ab Oktober 1971 jedes Mal dabei. Nun hatte Hermann Hoffmann die passende professionelle Studioausstattung und sein erstes 4-Spur Magnetbandgerät, was ihm ermöglichte, eine Folge in wenigen Tagen zu produzieren. Die meiste Zeit benötigte Hermann Hoffmann für eine minutiöse Planung. Die 14-tägliche Regelmäßigkeit blieb, abgesehen von mehreren Unterbrechungen wegen Krankheit, bis 1990 erhalten. Aus der „Kleinen Dachkammermusik“ wurde zwischendurch das „Radio Zitrone aus der Dachkammer“, das ab Sommer 1986 wegen struktureller Änderungen des WDR-Unterhaltungsprogramms auf dem Montag in die „Unterhaltung á la Carte“ verlegt wurde. Mit einer Folge pro Monat im Jahr 1991 war dann das Ende der Zusammenarbeit mit dem WDR eingeläutet. Insgesamt produzierte Hermann Hoffmann über 570 Folgen dieser Sendereihe.

Lotosflöte für das Dachkammer-Intro

Das Intro zur Sendung ist jedoch ebenso bekannt wie das auf der Lotosflöte geblasene „Heideröslein“. Hier spricht Hermann die verschiedenen Aufgaben, während das Band stetig schneller läuft. Hier ist der gesamte – entschleunigte… – Text zum Intro:

Und hier haben wir sie wieder, die „Kleine Dachkammermusik“, wie jedesmal mit vielen Mitwirkenden. Ich nenne die Personen und ihre Darsteller:
Der Dachkammer-Chef – Hermann Hoffmann. Ein Ostfriese – Hermann Hoffmann. Ein Schwabe – Hermann Hoffmann. Eine Flöte – Hermann Hoffmann. Elektronische Orgel – Hermann Hoffmann. Synthesizer – Hermann Hoffmann. Klavier – Hermann Hoffmann. El-Piano – Hermann Hoffmann. Schlagzeug – Hermann Hoffmann. Elektro-Bass – Hermann Hoffmann. Gesang – Hermann Hoffmann. Musikalische Bearbeitung – Hermann Hoffmann. Komposition – Hermann Hoffmann. Tontechnik – Hermann Hoffmann. Ein Bier-Holer – Hermann Hoffmann. Ein Zigaretten-Holer – Hermann Hoffmann. Ein einziger Honorar-Empfänger – Hermann Hoffmann – Hermann Hoffmann – Hermann Hoffmann – Hermann Hoffmann…